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Die Praxis der Mahlzeitgestaltung in der Krippe Inszenierungen und Aufführungen eines Rituals
(2022)
Derzeit besucht ein Drittel der Kinder (34,4%) unter drei Jahren eine Kinderkrippe (Statistisches Bundesamt, 2021). Damit geht einher, dass immer mehr Kinder das Ritual der Mahlzeit in frühpädagogischen Einrichtungen erleben (Gutknecht & Höhn, 2017). Rituale, verstanden als „cultural performance“ (Wulf, Göhlich & Zirfas, 2001, S. 9) und „körperliche Praktiken“ (Gugutzer & Staack, 2015, S. 12), konstruieren soziale Wirklichkeiten und sind in hohem Maße an Erziehungs- und Bildungsprozessen in der frühen Kindheit beteiligt. Indem Kinder an Ritualen teilnehmen, übernehmen sie die „szenische Inszenierung mit ihren Wert-, Einstellungs- und Handlungselementen in ihre Vorstellungwelt“ (Wulf, 1996, S. 168) und eignen sich durch mimetische Fähigkeiten ein praktisches Wissen an. Das angeeignete Wissen ist insbesondere auf der Körperebene verankert und entzieht sich dadurch größtenteils dem reflexiven Bewusstsein (Wulf, 2017; Sting, 2009). Dies führt dazu, dass Rituale „häufig […] ein Eigenleben“ führen (Friebertshäuser, 2004, S. 29). Vor diesem Hintergrund ist es umso wichtiger die rituelle Alltagspraxis in frühpädagogischen Einrichtungen im Allgemeinen sowie die Mahlzeitgestaltung im Besonderen in den Blick zu nehmen und der Reflexion zugänglich zu machen.
Im Rahmen der Dissertation wurde daher die Forschungsfrage bearbeitet, wie das Ritual der Mahlzeit in Krippen inszeniert und aufgeführt wird. Die Ergebnisse zeigen die Rekonstruktion von zwei Typen der Mahlzeitgestaltung, die zur Hervorbringung unterschiedlicher sozialer Ordnungen geführt und infolgedessen zu unterschiedlichen Beziehungs- und Interaktionsgestaltungen zwischen den Teilnehmenden beigetragen haben. Der erste Typus „Mahlzeit als Differenzerfahrung“ zeigt den Vollzug von normorientierten Praktiken, während der zweite Typus „Mahlzeit als Gemeinschaftserlebnis“ durch die Inszenierung und Aufführung von beziehungsorientierten Praktiken gekennzeichnet ist.
In unserer Gesellschaft stehen wir weltweit vor enormen Aufgaben: Pandemie-Bekämpfung, Klimaschutz, Biodiversitätsverlust, Digitalisierung und die damit verbundene gesellschaftliche und wirtschaftliche Transformation. Herausforderungen der Gegenwart, für die kreative Lösungen und MINT-Expertise (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) gefragt sind. Um diesen und zukünftigen Herausforderungen mit Kompetenz und Engagement begegnen zu können, benötigen wir in Deutschland mehr junge Menschen, die sich für diese Fachrichtungen begeistern.
In der Grundschule vertiefen Kinder ihre MINT-Erfahrungen: Naturwissenschaften und Technik sind im vielperspektivischen Fach Sachunterricht integriert. Die alle vier Jahre erhobene Studie: „Trends in International Mathematics and Science Study“ (TIMSS) untersucht mathematisch-naturwissenschaftliche Kompetenzen von Kindern der vierten Klassenstufe im internationalen Vergleich. Im Jahr 2019 wurde TIMSS erstmalig anhand computerbasierter Aufgaben durchgeführt. Dabei fallen die naturwissenschaftlichen Kompetenzen der Kinder in Deutschland, wie bereits in TIMSS 2015 mit 518 Punkten niedriger aus als der EU- und OECD-Mittelwert (EU: 522, OECD: 526). Das bedeutet, dass sowohl im mathematischen als auch im naturwissenschaftlichen Bereich ein Viertel der Kinder leistungsschwach ist. Sie befinden sich auf den untersten Kompetenzstufen – im Vergleich zu 2015 mit negativer Tendenz: Mathematik 25 Prozent (2015: 23 Prozent), Naturwissenschaften 28 Prozent (2015: 22 Prozent) (Schwippert et al., 2020). Diese Kinder starten dementsprechend mit schlechten Voraussetzungen in den MINT-Unterricht der weiterführenden Schulen. Gleichzeitig zählen nur sieben Prozent der Kinder der vierten Klassen in den Naturwissenschaften zur leistungsstarken Gruppe. Es wird deutlich, dass die wesentliche Herausforderung in der spezifischen Förderung von Kindern an beiden Enden des Leistungsspektrums besteht. Ein wichtiger Ansatzpunkt sind strukturell verankerte und stärker systematisch aufgebaute Angebote, wie zum Beispiel in der Nachmittagsbetreuung. Auch außerschulische Angebote können einen wertvollen Beitrag für die Breiten - und Spitzenförderung leisten (König, 2020). Die außerschulischen Angebote rund um das naturwissenschaftliche Lernen sind in den vergangenen Jahren stetig gestiegen. Im Sachunterricht wirkt der Perspektivrahmen der GDSU (Gesellschaft für Didaktik des Sachunterrichts, 2013) mit explizit ausgewiesenen Perspektiven zur naturwissenschaftlichen und technischen Bildung über die Bildungspläne in den Ländern auch in den Unterricht hinein. Doch nicht jedes naturwissenschaftliche Angebot in der Schule oder außerhalb erlaubt eigenaktives Forschen und Lernen und nur selten können Lernende eigenen experimentellen Fragestellungen frei nachgehen. Die Wahl der Methode (Köster et al., 2011) stellt dabei eine Herausforderung für Forschung und Fachdidaktik dar. Bisher wissen wir in der Fachdidaktik noch wenig darüber, welche Rolle das Engagement bei Lernenden in geöffneten naturwissenschaftlichen Lehr-Lernsituationen spielt. Mit der vorliegenden Arbeit soll dieser Frage nachgegangen werden.
Geschichte der ehemaligen Lederfabrik "Röhm" in Schorndorf - Rekonstruktion, Dokumentation, Didaktik
(2019)
Das Projekt beschäftigt sich mit der Entstehung, den Problemen und Erfolgen sowie dem Niedergang der Lederindustrie in Schorndorf am Beispiel der Lederfabrik „Röhm“. Dargestellt wird die Geschichte der Lederfabrik von den Anfängen im Jahr 1866 bis zur Schließung 1973. Gottlob Schmid gründete und leitete das Unternehmen bis zu seinem Tod im Jahr 1920. Die folgenden Jahre waren von einer unternehmerischen Unsicherheit geprägt, bis im Jahr 1927 Hermann Röhm die Geschicke der Lederfabrik übernahm. Die Arbeit dokumentiert diese Entwicklungen. Insbesondere wird der Betriebsführer Hermann Röhm in der Zeit des Nationalsozialismus in den Fokus genommen.
Darüber hinaus wird die Baugeschichte von den Anfängen bis zur Schließung rekonstruiert. Alteingesessene Industriebetriebe mussten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts häufig den Gang zum Insolvenzrichter antreten. Viele dieser Industriebrachen wurden in der Vergangenheit einfach dem Erdboden gleichgemacht und „moderne“ Gebäude (Einkaufszentren, Wohnanlagen usw.) darauf erstellt, obwohl diese Gebäude oft historische „Perlen“ sind, die der nachkommenden Generation viel zu erzählen haben. Dieser Gedanke wurde in Schorndorf aufgegriffen. Daraus entstand der Wunsch, die Geschichte einer dieser Industriebrachen zu dokumentieren.
Abschließend werden Überlegungen zur Regionalgeschichte angestellt und beispielhaft Unterrichtsvorschläge zur Umsetzung in der Schule gemacht.
Der 40. Tag der Landesgeschichte in der Schule fand am Montag, den 23. Oktober 2017 in
Karlsruhe statt und stand unter dem Leitthema „Heimat und Fremde – Perspektiven für das
historische Lernen“. Nach der Begrüßung der Teilnehmer durch die Tagungsleiter Prof. Dr.
Gerhard Fritz (Pädagogische Hochschule Schwäbisch-Gmünd), Dr. Rainer Hennl (Regierungspräsidium
Karlsruhe) und Prof. Dr. Frank Meier (Pädagogische Hochschule Karlsruhe) wurde
der 13. Band der Reihe „Landesgeschichte in Forschung und Unterricht“ präsentiert, der nunmehr
als E-Book erscheint.
Am Vormittag wurden im Ständehaussaal der Stadt zwei Grundsatzreferate gehalten. Frau Dr.
Wiemann-Stöhr präsentierte die wichtigsten Ergebnisse ihrer bei Prof. Dr. Frank Meier entstandenen
Dissertation mit dem Titel „Die pädagogische Mobilmachung – Schule in Baden im Zeichen
des Nationalsozialismus“. Einige Thesen ihrer umfangreichen Forschungsarbeit stellt sie
in ihrem Beitrag vor. Dabei untersucht sie insbesondere die Vereinnahmung des Heimatbegriffs
durch die Nationalsozialisten und deren Schulpolitik in Baden. Ihr Beitrag ist in der vorliegenden
Ausgabe von „Landesgeschichte in Forschung und Unterricht“ enthalten.
Im Anschluss präsentierte Frau Christiane Torzewski (Stadtarchiv / Historische Museen Karlsruhe)
einen von ihr wiederaufgefundenen Film zu den südwestdeutschen Heimattagen von 1934
in Karlsruhe vor und stellte die darin präsentierten Heimatbilder zur Diskussion. Deutlich
wurde, dass die NS-Propaganda auch althergebrachte Traditionen übernahm, um ihre wahren Absichten zu verschleiern. Der konservative Anstrich ließ die Nationalsozialisten als „Wolf im Schafspelz“ erscheinen und sollte ihre Machtbasis und gesellschaftliche Akzeptanz verbreitern helfen. Statt SA und NS-Organisationen marschierten Trachtengruppen durch die Stadt.
Am Nachmittag fanden mehrere Workshops zu ausgewählten Themen statt:
Die von Dr. Rainer Hennl (Regierungspräsidium Karlsruhe) geleitete Tagungsgruppe stand unter
dem Motto „Die Ambivalenz der Moderne und die Fragilität des Konstrukts Heimat – Beiträge
Karlsruher Juden zur Modernisierung Karlsruhes um 1900 und konservative Gegenstimmen
(Unterrichtsprojekt).
Claus Hanak (Abt-Bessel-Realschule Buchen) gestaltete einen Workshop zum Thema „Vom
geachteten Bürger seiner Heimatstadt zum Außenseiter: Das tragische Schicksal des Buchener Mundartdichters Jacob Mayer (Unterrichtsprojekt)“.
Stadtarchivar Dr. Volker Steck (Stadtarchiv Karlsruhe) führte einige Teilnehmer der Veranstaltung durch die „Straße der Demokratie“ in Karlsruhe. Die Ausstellung im Karlsruher Ständehaus,
in dem die Tagung stattfand, war Ausgangspunkt der kleinen Exkursion. Von dieser Stätte
des ersten deutschen Parlamentes ging es zu verschiedenen Erinnerungsstätten der ehemaligen Residenzstadt. Am Bundesverfassungsgericht endete die interessante Stadtwanderung. Frank Meier plädiert in seinem einführenden Aufsatz für eine Rückbesinnung auf den alten
Heimatkundebegriff unter moderner Perspektive und verbindet diesen mit den Ansätzen des historischen Gedächtnisses und der Geschichtskultur. Statt etwa im Grundschulunterricht von
dem Ansatz der Orientierung in der Welt auszugehen, wie es der neue baden-württembergische
Bildungsplan vorsieht, ist die althergebrachte Orientierung im Nahraum weitaus anschaulicher. Dort, wo die „Welt“ den Nahraum berührt oder in diesen hineinreicht, lassen sich diese Bezüge
geschichtsdidaktisch und unterrichtspraktisch nutzbar machen. Unter den freien Beiträgen finden sich wiederum studentische Aufsätze.
Vanessa Hadeball setzt sich in ihrem Aufsatz ebenfalls mit der Theorie des Heimatbegriffs
auseinander und hinterfragt dessen Definition, Funktion und Problematik im Zusammenhang mit dem Ansatz des außerschulischen Lernens an historischen Orten.
Wenn etwa, wie im Beitrag von Iris Müller zum Hohenstaufen am Beispiel der Stauferstele
deutlich wird, die Staufer mit den politischen, wirtschaftlichen und religiösen Beziehungen
zwischen italienischen und deutschen Machtzentren ein weit verzweigtes Netzwerk schufen, so ist ein mittelalterlicher Erinnerungsraum nicht immer regional begrenzt, müssen Heimat und Fremde trotz geographischer Distanz keine Gegensätze sein. Christoph Strobel zeigt am Beispiel von Landkreiswappen als Relikte der Heimatgeschichte in
Oberschwaben auf, welche Folgen etwa Grenzverschiebungen auf die Gestaltung dieser politischen
Herrschaftszeichen hatten und haben. Maren Schwarz hat in ihrem umfangreichen Beitrag das Kriegstagebuch des Gussenstadter Gefreiten
Georg Held von 1914/15 in mühevoller Arbeit transkribiert und sein erstes Kriegsjahr rekonstruiert, dessen Alltag sich um die alltäglichen Aufgaben und Sorgen der Soldaten bei der
Munitionskolonne drehte, etwa um das Transportieren der Munition oder die Pferdepflege. Das
Tagebuch des einfachen Mannes, dem man eine größere Verbreitung wünschen würde, verrät zwar nichts über große Schlachten, ist aber gerade wegen der Beschreibung der Tätigkeiten in der Etappe eine einzigartige Quelle.
Die Herausgeber danken der Stadt Karlsruhe für die kostenfreie Überlassung des Ständehaussaales
und die großzügige Bewirtung sowie dem Goethe-Gymnasium für die Verfügungsstellung
der Räume für die Workshops am Nachmittag.
In dieser Studie wurde ein Modell zur sprachpädagogischen Arbeit in kooperativen Ereignissen mit Kindern unter drei Jahren entwickelt. Ausgehend von den Annahmen der Theoretiker der sozial-pragmatischen Spracherwerbstheorie (Bruner 1987, Nelson 1996, Tomasello 2014) wurde ein mehrperspektivisches theoretisches Modell über Spracherwerbszusammenhänge in vier Entwicklungsbereichen konzipiert. Dieses bildet die Grundlage für die Entwicklung eines Sprachförderkonzepts, das - von den kindlichen Motiven ausgehend - das Kind dabei unterstützt, die Funktion kommunikativer Zeichen auf verschiedenen Entwicklungsstufen zu erkennen und Sprache gezielt als Hilfsmittel zur Zielerreichung einzusetzen. Die sprachpädagogische Arbeit fokussiert dabei nicht alleine auf den Spracherwerb, sondern auch auf weitere, mit dem Spracherwerb verbundene Entwicklungsbereiche. Kooperative Routineereignisse wie Alltagshandlungen und Spiele sowie die Bindung an die pädagogische Bezugsperson bilden den äußeren Halt, der das Kind dabei unterstützt, als Person zu reifen und einen eigenständigen inneren Halt zu entwickeln. Der entwickelte Beobachtungsbogen zur Einschätzung der kindlichen Sprachentwicklung sowie der damit zusammenhängenden Entwicklungsbereiche wurde einer ersten Validierung (Interrater-Reliabilität) unterzogen. Eine weitergehende Validierung des Konzepts wurde durch eine Expertenbefragung (prospektive Evaluation) vorgenommen, auf deren Grundlage das Konzept modifiziert und optimiert wurde.
Der 39. „Tag der Landesgeschichte in der Schule“ fand am 26. Oktober 2016 in Bad Mergentheim im Mittelstandszentrum statt. Nachmittags tagten die Arbeitsgruppen im Deutschordens-Gymnasium und im Deutschordens-Museum. Leitthema war „Grenzen ziehen
– erweitern – überschreiten“. Nach der Begrüßung der Teilnehmer durch Gerhard Fritz und Frank Meier wurde der 12. Band der Reihe „Landesgeschichte in Forschung und Unterricht“ präsentiert. Dr. Ulrich von Sanden von der Abteilung Schule und Bildung im Regierungspräsidium Stuttgart und Oberbürgermeister Udo Glatthaar hoben in ihren Ansprachen die Bedeutung der Regionalgeschichte für den Geschichtsunterricht in der Schule hervor. Das Engagement des Oberbürgermeisters und sein Interesse an dem Tagungsthema beeindruckten. Die eigentliche Arbeit des Tages begann mit zwei Grundsatzreferaten mit anschließender Diskussion. Christoph Bittel führte in die Geographie und Geschichte Tauberfrankens ein, indem
der die verwickelte, aber für das Verständnis des Phänomens „Grenze“ wichtigen Territorialverhältnisse
der Region einführt. Michaela Grund stellt nicht nur geographische Grenzen dar, sondern zeigt, wie territoriale Grenzen mit sozialen Grenzen verbunden waren. Beide Beiträge werden im Folgenden abgedruckt. Ulrich von Sanden stellte in seinem Referat „Landesgeschichte im Bildungsplan 2016“ dar,
welcher Stellenwert der Landesgeschichte als ergänzendes Element zur Globalgeschichte zukommt.
Von den auf dem „Tag der Landegeschichte in der Schule“ gehaltenen unterrichtspraktischenBeiträgen drucken wir den Aufsatz von Michael Kitzing ab, der den „Landesparlamentarismus nach 1945 als Gegenstand der historischen Forschung“ untersucht, und fragt, inwieweit der „ein Thema auch für die Schule“ sein kann. Die übrigen Referenten und ihre – hier nicht abgedruckten – Tagungsbeiträge waren: Claus
Hanak („Die ‚doppelte‘ Grenze des Imperiums – der Odenwald-Limes rund um Mudau- Schloßau – eine Grenzverschiebung als Machtdemonstration gegenüber den Germanen?“), Alexander Maimer und Hubert Segeritz („Grünsfeld – steingewordene Stadtgeschichte – Spielball verschiedener Landesherren: Rundgang durch die mittelalterliche Stadt im Wechsel verschiedener
Herrschaften“), Kilian Mosemann („Wertheim: Auf der Suche nach einer gesicherten Existenz – Auswanderung nach Amerika im 19. Jahrhundert aus dem Main-Tauber-Kreis“) sowie Maike Trentin-Meyer („Der Deutsche Orden und Südwestdeutschland. Das Deutschordens-
Museum als Lernort“). Eine Stadtführung beschloss den Mergentheimer „Tag der Landesgeschichte in der Schule“. Insgesamt besuchten den „Tag der Landesgeschichte“ in Bad Mergentheim 82 Personen, vor allem Lehrkräfte und Studierende sowie Schülerinnen und Schüler, vormittags im Plenum, nachmittags verteilt auf die Arbeitsgruppen. Der Stadt Bad Mergentheim, den Referenten und den Teilnehmern sei für ihr Engagement herzlich gedankt. Ein Teil der in Mergentheim gehaltenen Referate wird im nachfolgenden Text abgedruckt, ergänzt
durch Nachweise in den Fußnoten. Zusätzlich drucken wir unter den „Freien Beiträgen“ den dritten Teil der 2002 begonnenen Langzeit-Untersuchung „Was können Geschichtsstudenten?“ ab, außerdem Frank Meiers Überlegungen zur Grenze und – als studentischen Beitrag – die Studie von Ngozi Heidelberger- Josiah über Glaubensflüchtlinge im damals württembergischen Palmbach in den Jahren um 1700. Für die Zukunft wird „Landesgeschichte in Forschung und Unterricht“ unter der künftigen Rubrik „Weitere Quellen und Forschungen“ hauptsächlich qualifizierten studentischen Beiträgen
offenstehen, zu denen wir die Verfasserinnen und Verfasser geeigneter Arbeiten einladen.
Schwäbisch Gmünd und Karlsruhe, im Juli 2017
Gerhard Fritz und Frank Meier
In einem Forschungsprojekt zur Dialogischen Förderdiagnostik in der Alphabetisierung Jugendlicher und Erwachsener wurde die Aufgabensammlung „Lesen & Schreiben“ (BACKHAUS/RACKWITZ 2011) entwickelt, um möglichst differenziert zu erheben, über welche Lese- und Schreibstrategien bspw. Teilnehmer_innen an Alphabetisierungskursen verfügen.
Die Sammlung enthält unter anderem die Aufgabe „Wörterrätsel-1“, in der ungeübte Realwörter geschrieben werden sollen. Als Alternative wurde die Aufgabe „Kunstwörter“ konzipiert, bei der verschiedene Pseudowörter verschriftet werden sollen, um bei Personen, die große Vorbehalte haben, ungeübte Realwörter zu schreiben, dennoch beobachten zu können, über welche Einsichten und Strategien sie bereits verfügen.
Bei der Erprobung der Aufgabensammlung Lesen & Schreiben wurde die Aufgabe „Kunstwörter“ sowie die Aufgabe „Wörterrätsel-1“ von N = 63 Analphabet_innen bearbeitet. Bei der anschließenden Datenauswertung wurden zunächst mit einer nicht-linearen (kategorialen) Hauptkomponentenalyse (NLPCA) drei Komponenten extrahiert. Auf den ersten beiden Komponenten laden jeweils Pseudowörter mit unterschiedlich komplexen Laut- und Schriftstrukturen, deren Verschriftung die Beachtung verschiedener orthografischer Besonderheiten erfordert, während die dritte Komponente primär Pseudowörter vereint, die relativ einfach strukturiert sind und die sich mit der alphabetischen Strategie verschriften lassen.
Mehrere univariate Regressionsanalysen zeigten signifikante Zusammenhänge und eine Varianzaufklärung zwischen 50 und 66 Prozent zwischen dem Abschneiden in der Aufgabe „Kunstwörter“ und dem Abschneiden in der Aufgabe „Wörterrätsel-1“. Eine Multivariate Regressionsanalyse mit den drei in der NLPCA extrahierten Komponenten als Prädiktor und dem Abschneiden in der Aufgabe „Wörterrätsel-1“ als abhängiger Variable zeigte, dass die dritte Komponente mit r(61) = ,683, p < ,001 am höchsten mit dem Abschneiden in der Aufgabe „Wörterrätsel-1“ korreliert und mit 45,8 Prozent am meisten Varianz aufklärt, gefolgt von der zweiten Komponente, die allerdings lediglich 26,7 Prozent Varianzaufklärung zusätzlich beiträgt, sodass ein Gesamtmodell resultierte, das insgesamt 72,5 Prozent Varianz im Abschneiden in der Aufgabe „Wörterrätsel-1“ aufklärt, wobei die erste Komponente keinen Beitrag leistete.
Darüber hinaus zeigen die Ergebnisse eines Vergleichs der Pseudowortschreibungen der 63 Analphabet_innen mit den Verschriftungen von insgesamt 1209 Grundschüler_innen der Klassenstufen 1 bis 4 sowie von 233 Studierenden, dass mit den Pseudowörtern auch Kompetenzzuwächse bzw. Leistungsfortschritte beobachtbar sind. Detailanalysen der Pseudowortschreibungen in den verschiedenen Gruppen hatten im Wesentlichen zum Ergebnis, dass es keine wesentlichen qualitativen Unterschiede bezüglich der häufigsten Verschriftungsvarianten der Pseudowörter zwischen der Gruppe der Analphabet_innen und den übrigen Gruppen gibt.
Die Ergebnise der Erprobung der Aufgabe sprechen zunächst dafür, dass die zu schreibenden Pseudowörter eine geeignete Alternative sind, um in der Alphabetisierungsarbeit zu beobachten und einschätzen zu können, ob ein Lerner bereits über die alphabetische Strategie verfügt und in welchem Ausmaß er diese anwendet.
In einem nächsten Schritt sollten die Ergebnisse mit größeren und ggf. spezifisch repräsentativen Stichproben überprüft sowie ggf. Interviews mit den Teilnehmer_innen geführt werden, um die Ergebnisse auch kommunikativ zu validieren.