Im Grunde ist die nachfolgende Quellenedition eine Spätfolge einer im Sommersemester
2009 an der PH Schwäbisch Gmünd durchgeführten Lehrveranstaltung über Quellen der Frühen
Neuzeit – genau wie die schon 2010 und 2017 erschienene Edition von Lagerbüchern
von 1575 und 1576 und die 2019 erschienene Edition der Klosteramtsrechnung von 1568/69.
Wie bereits in der Edition zu 1568/69 ist auch zu der hier vorliegenden Edition der entsprechenden
Rechnungen von 1609/10 und 1619/20 festzustellen: Für historische Laien sind
spätmittelalterliche und frühneuzeitliche Rechnungsbände auf den ersten Blick von einer
nicht zu überbietenden Langweiligkeit. Endlose Ketten von Einzelposten und riesige Mengen
von Zahlen – Geldbeträge und Naturalien – reihen sich aneinander.
Aber diese Daten haben es in sich. Ihr Quellenwert ist überwältigend und stellt den der meisten
Urkunden und sonstigen Akten in den Schatten. Es erschließt sich hier nicht mehr und
nicht weniger als das gesamte Wirtschaftsleben der damaligen Gesellschaft – und darüber
hinaus werden detaillierte und in ihrer Farbigkeit oftmals geradezu atemberaubende Einblicke
in das gesamte soziale Leben geboten. Die Zahl der durch die Rechnung erschlossenen
Bereiche ist groß. Nur die wichtigsten seien hier angesprochen:
Man erfährt präzise, wie die damalige Verwaltung funktionierte, wie hoch die Steuerund
Abgabenlast war, wofür überhaupt Geld ausgegeben wurde, wie die Postverbindungen
organisiert waren, was und wie viel in der Küche auf den Tisch kam.
Man erhält umfassende Informationen über die Wirtschaftsstruktur, die angebauten
landwirtschaftlichen Erzeugnisse, die gehaltenen Tiere, die hergestellten handwerklichen
und gewerblichen Produkte, den Handel und dessen geographischen Horizont, die
Bautätigkeit.
Man bekommt umfassendes Material zu Preisen von landwirtschaftlichen und handwerkliche
Produkten bis hin zu nach Angebot und Nachfrage schwankenden Preisen.
Man wird informiert über den sozialen Umgang der Menschen miteinander.
Die Daten zu den Personen sind überwältigend, so dass entscheidendes Material für
eine Prosopographie geliefert wird.
Die diversen Produkte bieten 1609/10 und 1619/20 in ihren Details weit über die Rechnung
von 1568/69 hinaus die Grundlage für eine Geschichte der Sachen im frühen
17. Jahrhundert, am Vorabend des Dreißigjährigen Krieges und somit eine Fortsetzung
der Edition der Rechnung von 1568/69.
Insofern geht die vorliegende Quellenedition, wie schon die von 1568/69, weit über den
scheinbar lokalen Charakter hinaus. Hier wird empirisches Grundlagenmaterial für eine Sozialgeschichte
des frühen 17. Jahrhunderts geliefert, wie man es selten einmal bekommt.
Wie bereits in der Einleitung zur Edition der Rechnung von 1568/69 erläutert, sind die meisten
württembergischen Rechnungsbände des späten Mittelalters und der Frühen Neuzeit im
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19. Jahrhundert einer großen Aktenkassation zum Opfer gefallen. Die Bedeutung der Rechnungsbände
als historische Quelle wurde in der genannten Einleitung ausführlich beschrieben,
so dass dies hier nicht wiederholt werden muss.
Im Vergleich zur Rechnung von 1568/69 fällt auf, dass die Rechnungen von 1609/10 in ihrem
Umfang noch einmal erheblich gewachsen sind. Für die Sozialgeschichte sind die Details insbesondere
der Rechnung von 1609/10 (nicht ganz in diesem Maße in der Rechnung von
1619/20) geradezu ein Eldorado. In der in nächster Zeit erscheinenden Sozialgeschichte
Murrhardts von der Mitte des 16. Jahrhunderets bis zum Beginn des Dreißigjährigen Krieges
konnte ausführlich auf diese Details zurückgegriffen und ein entsprechend farbiges Bild entworfen
werden.1
Die Darstellungsprobleme, die sich aus der Tatsache ergeben, dass die hier vorliegende Edition
zwei verschiedene Rechnungsbände enthält, sind in den editorischen Vorbemerkungen
näher erläutert. Ausdrücklich hingewiesen sei auf das ausführliche Register, das – in Ergänzung
zum Inhaltsverzeichnis – den Quellenwert der Edition weit über die genannten Sozialgeschichte
Murrhardts hinaus auch für künftige Studien erschließt.
The preceding text is an edition of historical sources. The edition’s origin dates back to two seminars of medieval and early modern history held at the University of Education of Schwäbisch Gmünd in the summer of 2009. The text contains an account book of 1568/69, beginning on St. Georges’s day (April 23rd) 1568 and ending on St. George’s day 1569. The account book contains all earnings and all expenses
of the Murrhardt monastery and the area around the city of Murrhardt. Murrhardt today is a town of 13.000 inhabitants in the Rems-Murr county in the Land of Baden-Württemberg in the south-west of Germany.
The account book enables detailed research concerning all aspects of the monastery’s social history, especially of the economy, as far as the revenues and expenses of money and natural produce are concerned. With this information it is possible to analyse the kinds and the amounts of cereals (spelt, wheat, rye, oats, and others), of wine, and all others naturals products, the relation of unpaid drudgery and of paid wage work of the monastery’s subjects. All kinds of
craftsmen and their work and products are contained in the account book as well as a lot of information about the regional communication by runners or the politics of poor relief. Other chapters contain information about taxes, the valuta in use in 1568/68, the financial flows or the transport of money from the monastery to the central cash of the sovereign, the duke of Wurtemberg in Stuttgart. The amount of taxes which had to be paid is mentioned so it is possible
to get a complete impression of the local social structure. In addition to this information the text enables research about the geography, about the land
utilisation, about the climate and the weather, about the architecture of the monastery and the city of Murrhardt, about the demography of the regional population and about the legal relationship of the population.
The former Benedictine abbey of Murrhardt was first submitted under the Lutherian reform in 1534/35 and then definitely in 1552, and had become a protestant institution. Although there were no more monks in the buildings of the monastery, the monastery as an economical unit continued to exist in the following centuries. This type of ancient monastery without monks but as an economical unit – a so-called Klosteramt – was usual in the duchy of Wurtemberg from
the middle of the 16th century until the end of the old Holy Roman Empire in 1806. So, the account book gives information about the first decades under Lutheranian gouvernment and religion.
As there are mentioned many streets, roads, ways, paths, bridges and fords it is possible to
reconstruct the complete road network system around the town and the traffic communication and trade connections. The great number of plot names delivers palaeo-ecological data, and the names of hundreds of persons enables to reconstruct a complex net of relations between the local and regional families and power groups. On the base of the numerous plot names
mentioned it is possible to reconstruct the history of the local and regional economy and settlement further back than only until the late 16th century. As far as the citizens are concerned, it is possible to write a complete social history the importance of which is exemplary for other regions, too. The text’s information concerning the buildings enables an exact description of the economic history and the history of the region’s settlement. Among historians it is not necessary to note that all the data of the account book do not only form a base for purely local or regional research but form a exemplary model of micro-historical
research. These facts, however, should be noted for all the non-historian users of the account book. The data published here also should be used as a basis for future seminar papers of my students at my university.
Im Jahre 2010 erschien im Anschluss an ein Seminar zur neuzeitlichen Geschichte das Lagerbuch der Stadt Murrhardt von 1576. Im selben Seminar war auch das Lagerbuch der Murrhardter Weiler benutzt worden, das schon lange ebenfalls ins Netz hätte gestellt werden sollen. Vielfache andere Aufgaben verhinderten die längst überfällige Edition. In der Bezeichnung des
Hauptstaatsarchivs Stuttgart wird das Lagerbuch der Weiler ins Jahr 1575 datiert. Diese Datierung ist ungenau. Tatsächlich wurde von 1574 bis 1577 an dem Lagerbuch gearbeitet. Wie die nachfolgende Edition zeigt, war das Lagerbuch erst am 9. April 1577 mit der öffentlichen Verlesung abgeschlossen. Erst am 14. September 1582 wurde in Stuttgart, wie der Eintrag auf
der letzten Seite mitteilt, das Lagerbuch endgültig abgeschlossen. Von der Sache her wäre das Lagerbuch der Weiler also mit der Jahreszahl 1574/77/82 zu bezeichnen. Da es in den Repertorien des Hauptstaatsarchivs aber auf 1575 datiert wird, halten wir der einheitlichen Bezeichnung halber an dieser Bezeichnung fest. Anders als das Lagerbuch der Stadt von 1576 sind vom Lagerbuch der Weiler im Bestand H
102/54 des Hauptstaatarchivs zwei Exemplare vorhanden, die als HStAS H 102/54, Bd. 1 und Bd. 2 bezeichnet werden. Beide Bände sind völlig identisch, lediglich in der Seiteneinteilung gibt es selten zeilenweise Unterschiede in der Textverteilung. Der entscheidende Unterschied liegt darin, dass sich im Bd. 2 eine ganze Anzahl von Nachträgen befindet, die an den rand oder
zwischen die Zeilen eingefügt sind. Man bekommt also in vielen Fällen sowohl die Verhältnisse und die Personen von 1574/77 geliefert als auch die jeweiligen Besitznachfolger in den folgenden Jahren und Jahrzehnten. Deshalb orientiert sich die nachfolgende Edition grundsätzlich an Bd. 2. Wo erforderlich, wird durch Fußnoten auf eventuelle Unterschiede zu Bd. 1 hingewiesen. Was die formale Gestaltung und die editorischen Kriterien angeht, folgt die Edition des Lagerbuchs der Weiler 1575 exakt der Edition des Lagerbuchs der Stadt. Wir geben diese nachfolgend
wieder: Eine Volltextedition ist auch diesmal entbehrlich. Die im Original häufigen formelhaften Wiederholungen können abgekürzt wiedergegeben werden.
Ansonsten ist zu bemerken: Das u ist im Original fast durchgehend mit Überstrich ú geschrieben, wird aber im Folgenden grundsätzlich als u wiedergegeben wird. Das meist mit Doppel-n als vnnd bzw. unnd geschriebene vnd bzw. und wird grundsätzlich nur mit einem n wiedergegeben. Ebenso wird das oft, aber keineswegs immer vorkommende Doppel-n, insbesondere das bei Verben auslautende Doppel-n, grundsätzlich zu einem einfachen n vereinheitlicht. Doppeln wurde nur dort beibehalten, wo es den heutigen Doppelungsregeln entspricht. Lediglich in Eigennamen wurde die Doppelung nach der Vorlage der Quelle beibehalten. Doppelungen anderer
Konsonanten als n wurden grundsätzlich beibehalten.
Das Original enthält grundsätzlich eine Blattzählung mit römischen Zahlen. Sie wurden der Kürze und leichteren Lesbarkeit halber in arabische umgewandelt, die in hochgesetzter Schrift der jeweiligen Seite vorangestellt sind. Vorderseiten sind mit a markiert, Rückseiten mit b. Das nicht paginierte Inhaltsverzeichnis wurde mit einer separaten Zählung versehen, bei der vor die arabischen Zahlen jeweils das Wort Inhalt gesetzt ist.